Die erste Phase der Solo-Karriere von Dave Davies begann im Frühjahr 1967, als er im Front-Room seines Elternhauses auf dem Klavier klimperte. Er war erst 20 Jahre alt, frisch verheiratet, ein innovativer Gitarrist einer erfolgreichen Rock-Band, und er wurde von der Öffentlichkeit als wilder, temperamentvoller „Raver" gesehen. In seinem Innern fühlte er sich traurig und depressiv: "wie ein freudloser Clown, nach außen fröhlich geschminkt, aber das Innere schmerzte." Er ging mit seinen Keyboard-Versuchen ins Studio und schrieb, beginnend mit der Zeile "let's all drink to the death of a clown", gemeinsam mit seinem Bruder einen Song, der musikalisch und textlich rau und melodisch zugleich war. Im folgenden Sommer 1967 sollte es ein großer Hit in Europa und Großbritannien werden.
Ursprünglich war "Death Of A Clown" als Teil des Kinks-Albums "Something Else" geplant und auf dem Album erschien der Song auch. Aber der damalige Kinks-Manager Robert Wace und Pye Records sahen in dem Song jedoch genug Potential, um ihn als Solo-Single herauszubringen. "Death Of A Clown" stieg auf Platz 23 in die Melody Maker Charts ein und blieb dort für neun Wochen. Im Juli erreichte der Song mit Platz 3 seine höchste Platzierung in den Charts.
Dave Davies schien gleichzeitig überrascht, erfreut und verwirrt, dass "Death Of Clown" die Charts im Sturm eroberte. In der Tat, die ursprüngliche Meinung einiger wichtiger Musikmagazine war, dass der Song zwar in Ordnung wäre, dessen Misserfolg ihm jedoch bereits vor der Veröffentlichung vorausgesagt wurde! Ganz im Gegenteil: Die Single war erfolgreich, was nicht weniger als sieben Cover-Versionen zu der Zeit beweisen (sechs im Jahr 1967), dabei waren eine Version in italienischer und eine in französischer Sprache.
Um die Single zu promoten absolvierte Davies ausgedehnte PR- und Foto-Termine (das berühmte Bild von ihm als Ikone des "Summer Of Love" in seinem grünen Jackett und dem Spitzenhemd wurde in den Leale Clairville Studios von Mike Leale im späten Juni in London aufgenommen). Es entstanden ein paar Widersprüche in seinem Image: Während er in der Presse feststellte, dass die Single nicht das Ende der Kinks sei, wurden die Fotos gemacht, um seine Identität als Solo-Star zu untermauern! "Death Of A Clown/Love Me Till The Sun Shines" erschien am 7. Juli in Großbritannien, zu dieser Zeit begannen auch die Fernseh-Auftritte. Den ersten absolvierte Davies in "Top Of The Pops" am 27. Juni. Dabei trat er in einem Kavalier-Kostüm auf, das von Berman's geliehen worden war. Dave Davies wurde fälschlicherweise vom Moderator Alan Freeman als "Ray Davies" angekündigt.
Es wurden nachfolgende Singles und eine Package-Tour mit Dave Davies als Headliner geplant und genauso schnell wieder verworfen. Eines der Musikmagazine, "Melody Maker", veröffentlichte eine Geschichte, dass man ihm eine Hauptrolle in einem Film zutraute und dass er sofort nach Hollywood aufbrechen würde, um eine Karriere als Schauspieler zu beginnen. (Davies selbst stellte zu dieser Zeit fest, er wäre am besten in Stummfilmen aufgehoben, da er sich keinen Text merken könne!)
Obwohl Davies dem Record Mirror am 26. August 1967 erzählte, er habe keine Pläne für eine neue Single, gab es Nachfragen nach weiteren Solo-Veröffentlichungen und einem Album. Er fühlte sich unglücklich, weil er dazu gedrängt wurde und nicht mit dem Herzen dahinter stand. In der Tat scheint es so, dass er die weiteren Solo-Aufnahmen und Fernseh-Auftritte mit Überredung und Unterstützung seiner Frau und seines Bruders gemacht hat. Obwohl seine Promotion von "Death Of A Clown" spielerisch erschien, war er danach krank vor Erschöpfung und Stress.
Die nächste Single sollte "Susannah's Still Alive" werden. Der Song wurde im Oktober 1967 aufgenommen und erschien mit der B-Seite "Funny Face" am 24. November des Jahres auf Platte. Der Melody Maker besprach den Song positiv, der -- musikalisch charakterisiert von einer bluesig-chromatischem Tonleiter und stellenweise inspiriert von Leadbelly -- noch ein noch größeres Potential zum Hit hätte als "Death Of A Clown". "Susannah's Still Alive" stieg auf Platz 13 in den Charts und Dave Davies war zu dieser Zeit optimistisch, was seine Arbeit anging: "Das Wichtigste dabei, zwei Platten solo herauszubringen, ist, dass es mir ein wenig Selbstvertrauen selbst gibt. Ich denke, dass, wenn diese Scheibe in der nächsten Woche untergeht, ich immer noch fühlen würde, dass ich rausgehen und es noch einmal versuchen könnte."
Die Plattenfirma wollte ein Solo-Album. Man plante eines mit Cover-Versionen von Blues-Songs sowie eigenem Material, es wurde aber wieder verworfen. Aber Pye wollte etwas auf dem Markt haben, während die Kinks durch Großbritannien tourten und so veröffentlichten sie im April 1968 eine EP mit den vier Songs der Singles unter dem Titel "Dave Davies Hits". Die EP verkaufte sich schlecht, da die Popularität der Kinks zu dieser Zeit gesunken war. Die Platte ist heute eine der seltensten und von Sammlern meistgesuchten im Kinks-Katalog.
Während es zu der Zeit bei den Kinks Schwierigkeiten mit Tourneen und dem Personal gab, nahm Dave Davies seine dritte Single auf: Das wunderschöne „Lincoln County" (B-Seite: "There Is No Life Without Love"). Im Sommer 1968 kam die Single heraus und sie erhielt erneut gute Kritiken. Der Song zeigt im übrigen Dave Davies' Liebe für Eddie Cochran und Leadbelly. Mit den Kinks als Band spielte er den Song in einer Fernsehsendung der BBC mit dem Titel "Colour Me Pop" (diese Show gibt es im BBC-Archiv nicht mehr). Unglücklicherweise hatte diese Platte nicht den Erfolg wie die anderen beiden Singles. Dave Davies sagte damals: "Sie wurde veröffentlicht und dann zurückgezogen. Dann kam sie erneut und wurde erneut gestrichen. Als sie dann wirklich herauskam -- aller guten Dinge sind drei - war es ein unglücklicher Zeitpunkt. Es war zu spät -- kein Fernsehen, kein Radio, nichts. Das Problem lag nicht an der Platte ... die Schwierigkeit bestand in der Unklarheit, wann exakt eine neue Kinks-Single herauskommen sollte. Wir wollten nicht, dass sich beide überschnitten." Ungeachtet dessen wurde über eine neue Solo Tour mit neuer Band gesprochen, es kam aber nichts dabei heraus. Mit nur wenig Airplay verschwand die Single schnell wieder -- seine Zuversicht wurde untergraben und das Interesse von Pye an der Promotion von Dave Davies wurde immer schwächer.
Im Dezember 1968 nahm er Solo-Demos auf, aber Dave Davies war mit dem Resultat nicht zufrieden. Allerdings stammt aus dieser Session "Hold My Hand", das als vierte und letzte Single im Januar 1969 veröffentlicht wurde. Der Song kam heraus, als die Zeitschriften wie "Beat Instrumental" glaubten, die Kinks befänden sich auf dem absteigenden Ast und der junge Davies würde sich auf seine eigene Füße stellen. Er selber sagte dem Magazin, dass er einen möglichen Erfolg der Single nutzen würde, um sich als Solo Club Act zu etablieren.
Auf der Rückseite der Single fand sich "Creepin' Jean", ein Stück, rau und mit viel Spaß eingespielt, aus den Polydor Sessions, aber die Single schlug in Großbritannien nicht ein. In Deutschland hatte sie hingegen etwas Erfolg, und Davies spielte ihn im Beat Club. Interessanterweise ist "Creepin' Jean" in den letzten Jahren populär im Kreis der "Retro-Mods" in London. Ein Plattenhändler in Soho sagte, dass Exemplare der Single unter den Neo-Hipstern in ihren speziellen Clubs sehr gefragt seien. Pye verlor unterdessen Ende der 60er jedes Interesse an Dave Davies als Solo-Künstler.
Musikalisch waren die Songs, die er damals geschrieben hat, brillant. Die Kritiker, die sie hörten, schrieben positive Besprechungen. Dave Davies' Songs waren bodenständiger als die scharfen Satiren seines Bruders und Davies sagte, dass seine Songs persönliche "Impressionen von anderen Leuten und wie diese ihn sehen" seien.
Es stellt sich nun die Frage, warum Dave Davies Solo-Karriere missglückte, und warum er erst Anfang der 80er drei Solo-Alben herausbrachte? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zunächst wurden wenig unterschieden, was eine Dave-Scheibe und was eine der Kinks war. Seine Songs erschienen weiterhin auf Kinks-Alben, obwohl sie als Teile seiner eigenen Karriere promotet wurden. Sein erstes Solo-Album hätte Dave-Davies-Kompositionen enthalten -- unterstützt von den Kinks als Band. Die Identität war verwischt und verwirrend. Davies selber wollte die Band nicht verlassen, denn er fühlte, dass Kameradschaft und eine Form von Einheit wichtiger waren, als zu dieser Zeit auf sich allein gestellt durchzustarten. Zudem fühlte er sich von der Plattenfirma unter Druck gesetzt, wie er 1998 Bill Orton erzählte. Er sah, dass er nicht auf Knopfdruck Songs produzieren konnte.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die Musik und Dave Davies nicht ernsthaft promotet wurden. Er fühlte sich außerdem unwohl, weil seine Plattenaufnahmen und Produktionen nicht ernst genommen wurden. Es wurde viel über Alben, Tourneen und Filme gesprochen und es gab viel Versprechungen. Aber warum nimmt man Songs auf, wenn sie kein Airplay bekommen? Oder Presse-Promotion? In den USA wurde zum Beispiel "Death Of A Clown" als Single veröffentlicht, aber es gab dort keine Besprechungen oder auch nur Presse-Notizen.
Ein letzter Grund ist, wie sich Davies selber fühlte. Er musste mit einer Fülle von Widersprüchen fertig werden. Aber "Death Of A Clown" war eine wichtige Unterstützung für sein Ego und sein Vertrauen als Songschreiber und Performer. Doch gab es immer Widerstand und Hemmnisse -- hauptsächlich weil er sich benutzt vorkam. Obwohl er dem Record Mirror 1969 oder 1970 erzählte, dass die Plattenfirma die Veröffentlichungen blockierte, scheint er sich selbst im Weg gestanden zu haben. All dieses Reden, all die Versprechungen -- er fühlte sich nie als Musiker ernst genommen, sondern vielmehr von denen ausgenutzt wurde, die nur ans Geld dachten. Die Situation machte ihn immer unglücklicher, trotz der Unterstützung und dem Einsatz von Familie und Freunden. Besonders unterstütze ihn sein Bruder, der offen und regelmäßig über Dave Davies' Talent als Musiker und Songschreiber sprach. Nichtsdestoweniger war Davies nie ganz zufrieden; zu den Polydor-Sessions sagte er Jahre später: "Es war mehr der 'Front Room' von irgendwem als ein professionelles Studio. Ich fühlte, dass man mich wieder ausnutzte und ich dazu gedrängt würde, ein Album billig zu machen. Ich war so außer mit, dass ich den Rest der Aufnahmen abblies."
Auch heute noch scheint er unglücklich darüber, das einige der Tracks auf Bootlegs erschienen. Er sagt, dass er sich beim Hören nicht wieder erkenne. Über die Jahre sagte er immer wieder, wie traurig und depressiv die Texte seien und wie unglücklich er zu der Zeit gewesen sein müsse. Wenn es stimmt, dass er vom Herzen schreibt, dann reflektieren seine Texte und Töne die Behandlung, die er in der ersten Phase seiner Solo-Karriere erfahren musste.
Anfang 2002 plante Sanctuary eine Neuveröffentlichung des nie fertiggestellten Solo-Albums der 60er unter dem Titel "The Great Lost" Es scheint, dass die Produktion bereits fertig war, und im Jahr 2001 wurde Davies auch vom Fan Club über die Songs befragt, aber die Veröffentlichung wurde gestrichen. Derzeit ist immer noch unklar, ob die Platte mit den drei unveröffentlichten Songs (plus ein anderer Take) jemals auf dem Markt kommen wird.
(Carey Fleiner plant zwei weitere Teile für die Serie: Dave Davies Anfang der 80er und Dave Davies nach dem Ende der Kinks 1996).
Diskographie
(Details in Doug Hinmans Buch "You Really Got Me)
Singles
Death of a Clown/Love Me Til the Sun Shines
UK Pye 7N 17356 (7. Juli 1967)
US Reprise 0614 (2. August 1967)
Ebenfalls veröffentlicht in Südafika, Australien, Neuseeland, Polen, Indien, Israel, Kanada, Dänemark, Norwegen, Bundesrepunblik Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien.
Love Me Till the Sun Shines/No Return
Reprise, Juli 1967
Wurde auf Band zu Reprise geschickt, blieb aber unveröffentlicht.
Susannah's Still Alive/Funny Face
UK Pye 7N 17429 (24. November 1967)
US Reprise 0660 (31. Januar 1968)
Ebenfalls veröffentlicht in Australien, Neuseeland, Indien, Kanada, Dänemark, Norwegen, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Irland, Spanien.
Hits
UK Pye NEP 24289 (19. April 1968)
Ebenfalls veröffentlicht in Australien, Frankreich und Neuseeland.
Lincoln County/There Is not Life Without Love
UK Pye 7N17514 (30. August 1968 -- zwei Monate nach der Erstveröffentlichung in den Niederlanden)
Bänder wurden in die USA gesandt, eine Single niemals gepresst.
Ebenfalls veröffentlicht in Australien, Neuseland, Indien, Dänemark, Norwegen, Bundesrepublik Deutschland, Irland, Niederlande.
Hold My Hand/Creeping Jean
UK Pye 7N 17678 (17 January 1969)
Ebenfallls veröffentlicht in Neuseeland, Norwegen, Bundesrepublik Deutschland, Irland, Niederlande.
LP
Ohne Titel
Pye [Keine Bestellnummer] September 1969-Frühjahr 1970
Reprise [Keine Bestellnummer] Herbst 1969-Frühjahr 1970
geplante Tracks:
[Erstveröffentlichung in Großbritannien]
Susannah's Still Alive
[Single, 24. November 1967]
There is No Life Without Love
[B-Seite von Lincoln County]
This Man He Weeps Tonight
[B-Seite von Shangri-La, 12. September 1969]
Mindless Child of Motherhood
[B-Seite von Drivin, 20. Juni 1969]
Hold My Hand
[Single, 17. Januar 1969]
Do You Wish to be a Man
[nicht offiziell veröffentlicht]
Are You Ready?
[nicht offizielle veröffentlicht]
Creeping Jean
[B-Seite von Hold My Hand]
I'm Crying
[nicht offiziell veröffentlicht]
Lincoln County
[Single, 21. Juni 1968]
Mr Shoemaker's Daughter
[Bonus Track auf der Castle-CD, Arthur (or the Decline and Fall of the British Empire), Mai 1998]
Mr Reporter
[Bonus Track auf der Castle-CD, Face to Face, September 1998]
Groovy Movies
[Bonus-10" der Erstauflage von Dead End Street - Greatest Hits, October 1983, ein anderer Mix erschien in den USA schon 1973 auf dem "Great Lost Kinks Album"]
geplantes "Re"Release:
Dave Davies: The Great Lost
VÖ: geplant April 2002
Sanctuary Records
MRCD406
Fernsehauftritte
(Quelle: Doug Hinman, The Kinks: All Day and All of the Night, 2004)
Death of a Clown
Top of the Pops, BBC, 13. Juli 1967
Beat Club, Radio Bremen, 22. Juli 1967
Top of the Pops, BBC, 27. Juli 1967
Top of the Pops, BBC, 3. August 1967
Beat Beat Beat, Deutsches Fernsehen, 16. Oktober 1967
Vibrato, Belgium, 24. Oktober 1967
Susannah's Still Alive
Top of the Pops, BBC, 7. Dezember 1967
Lincoln County
Late Night Line Up, Colour Me Pop, BBC, 26. Juli 1968
It's Dee Time, BBC, 21. Dezember 1968
Hold My Hand
Discoteque, Granada, ITV, 26. März 1969
Beat Club, Radio Bremen
Quellen
Text: CDFleiner, 13. Februar 2004 für kinks.de
Übersetzung & Ergänzungen: Helge Buttkereit mit Unterstützung von Thomas Bartoldus